Seltsame Zeiten

16.10.2012 11:10

Wir leben in einer seltsamen Zeit, denn fast alle Menschen scheinen irgendwie auf der Suche nach einem Sinn zu sein.

Viele finden diesen Sinn zwar nach wie vor in den Religionen, aber der Glaube an einen Gott oder eine Errettung nach dem Tod reicht vielen Menschen der modernen Welt nicht mehr als Grund aus, die mehr geistigen als körperlichen Strapazen dieser zu ertragen.

 

Es ist zur Zeit eigentlich für jeden offensichtlich, der es wissen will, dass mit unserer „Weltordnung“ etwas nicht stimmt. Weite Teile der Menschheit leben in Armut, während eine kleine Gruppe von Industrienationen im Überfluss schwelgen. Vordergründig scheinen diese den ärmeren Teilen der Erde helfen zu wollen, doch der blinde Glaube ans ewige Wachstum, der sich als Traum vom Dollarmillionär mit buntem Anstrich sehr gut verkaufen lässt und das nach wie vor große Interesse an den restlichen Rohstoffen und billigen Produktionsmöglichkeiten, bringt sie dazu, sie nur tiefer in den Strudel von nicht vorhandener Konkurrenzfähigkeit und dem freien Weltmarkt, mit den alles im Hintergrund beherrschenden multinationalen Konzernen, zu ziehen.

 

Wir steuern also mit offenen Augen auf einen globalen Klassenkonflikt hin, in welcher Form er sich auch immer früher oder später äußern mag.

Dass die Menschen aber trotz alledem, was täglich im Fernsehen und in allen Medien zu spüren ist, dem Kapitalismus hinterherrennen, liegt an dessen Reiz, alle nur möglichen Lebenssinne damit zu verbinden, dass sie die Konkurrenz und das Leistungsprinzip als naturgegebene Tatsache hinnehmen, jeder "kann" ja an den Früchten des Fortschritts teilhaben, wenn er sich nur anstrengt.

Diejenigen, die hierzulande von mancher Seite„Sozialschmarotzer“ genannt werden und die man als Sündenböcke zur Rechtfertigung seiner eigenen Unmoral missbraucht, sind nach meiner Erfahrung einfach Menschen, die mit dieser Gesellschaft, auf Grund von deren offensichtlicher Grausamkeit abgeschlossen haben und die es nicht mehr für Wert halten sich dafür noch anzustrengen, von den viel zahlreicheren Menschen, die einfach keine Chance haben, die sie nutzen könnten, so sehr sie auch wollen, die dabei auch gleich abgestuft werden, schon mal abgesehen.

 

Man geht, der Einfachheit halber, davon aus, dass der Wille des Menschen in solchen Entscheidungen frei sei (er könne ja, wenn er nur wolle), aber die Fakten sprechen dagegen! Die Chancen auf dieser Welt sind so ungleich verteilt und jeder ist so abhängig von seinem sozialen Umfeld und seiner Psyche, seinem „Unbewusstem“, dass es schlicht menschenverachtend ist, von freiem Willen und Chancengleichheit im freien Markt zu sprechen.

Dieses empathielose Menschenbild ist nicht nur kaum in die Praxis umsetzbar (erzähl mal einem hungernden indischen Rikschafahrer, das er einfach zu faul ist, um sich aus seinen Umständen zu erheben), es vergiftet schlicht unsere sozialen Beziehungen untereinander, macht uns zu den Konkurrenten die dieses System braucht und die es am Leben erhalten.

Um dieser Manipulation ihres Selbstbildes entgegenzuwirken, müssen die Menschen aber nur in sich und um sich schauen und sehen dass weder Geld, noch Macht, noch Luxusgüter und Zerstreuungen, menschliche Nähe, Zuneigung, Vertrauen in sich und andere ersetzen können und das auch das es im Grunde ist was alle Menschen, ob sie es aufgegeben haben oder nicht, letztendlich irgendwann einmal zu finden hofften.

 

Warum arbeitet man in einem riesigen, grausamen, traurigen Wettbewerb gegeneinander, wenn es doch viel schöner, entspannender und vernünftiger wäre, Arbeit und Güter bedarfsorientiert und vertrauensvoll zu verteilen und sich einfach auf die alte, alle Religionen durchziehende Weisheit zu einigen, seinen Mitmenschen zu lieben wie auch sich selbst, denn wenn man nachdenkt, hat der Mensch wirklich kein einziges gravierendes Problem, außer seinen eigenen Konflikten, Ängsten und Feindbildern.

 

Wenn nur jeder für sich versuchen würde, aus der Angst vor Fremdem keine Vorurteile sondern Fragen entstehen zu lassen und nicht für das eigene Geld sondern für unsere Spezies und Ihren Lebensraum zu arbeiten, könnte sich die geängstigte, gestresste, ungerechte Gesellschaft schon ein wenig beruhigen und das, was Zufriedenheit für einen Menschen ist, nämlich in seinem Umfeld (am besten auf der ganzen Welt) geachtet und geliebt zu sein und darüber hinaus seine Grundbedürfnisse mit ein paar Sonderwünschen gesichert zu haben, könnte wirklich für alle gegeben sein.

Ich bin mir sicher, daß sich dies nicht negativ auf den positiven technischen Fortschritt und den angeborenen Fleiß für etwas sinnvolles auswirken würde. Wer hat die Kraft besonders kreativ oder produktiv für seine Gesellschaft zu sein, wenn er nichts zu essen oder keinen Platz zum Schlafen hat?

 

Wie lange werden die Menschen noch ihr trauriges Defizit an Liebe und Selbstliebe mit Statussymbolen und oberflächlichen heilen Welten ausgleichen können? Eigentlich müsste man es einer Menschheit, die schon so viele Erkenntnisse verinnerlicht und weiterentwickelt hat, zutrauen, auch noch flächendeckender diese, völlig bildungsunabhängige, Einsicht zu erlangen und es gibt eigentlich immer mehr Leute die das hoffen und unterstützen. Die Künstler und Intellektuellen sprühen es an jede Wand, es braucht eine andere Ordnung, es braucht ein neues Menschenbild.

Außerdem kann uns der technische Fortschritt in Zukunft (und könnte es vermutlich schon) noch so viel mehr Erleichterungen bringen, dass wir uns wohl langfristig auf immer weniger Arbeit gefasst machen müssen (mal noch zu dem Druck der Politik auf die Arbeitslosen), auch dies spricht nicht für die langfristige Erhaltung der Kultur der 16 Stunden Tage und vernachlässigten Ehefrauen.

Versorgung, Verkehr und Informationsverteilung könnten zuverlässig und unkompliziert von Computern geregelt werden, die Menschen müssten lernen, mit ihrer Freizeit und damit mit ihren Mitmenschen umzugehen.

Natürlich wird es niemals geschehen, dass kein einziger Mensch auf diesem Planeten leidet, (dazu leidet der Mensch viel zu gerne :) aber es wäre möglich Voraussetzungen im globalen Zusammenleben zu schaffen, die persönliche Schicksale und Konflikte weit besser auffangen und lindern könnten, als dies die unsrigen heutzutage schaffen.

Ich hoffe, dass wir so früher oder später einer blühenden Zukunft entgegen schauen können, wenn wir es schaffen, nicht vorher unsere Mutter Erde in die Luft zu jagen, doch dazu kann jeder Mensch, der diese Einsicht teilt, seinen kleinen Teil beitragen.

 

Annika 1999